Ulrich Rückriem - 9. Kunstflâneur 2025

Am 8. Mai 2025 jährt sich zum 80. Mal das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa  - und damit auch die Befreiung vom Nationalsozialismus.
In der Hamburger Innenstadt erinnert ein Mahnmal an die Opfer von „Krieg und Gewaltherrschaft zwischen 1933 und 1945“: die Ruine der Hauptkirche St. Nikolai an der Willy-Brandt-Straße. Ihre Ursprünge reichen bis ins Jahr 1195 zurück, ihre letzte neugotische Ausführung wurde 1874 fertiggestellt. Mit einer Höhe von 147,3 Meter war ihr Turm damals - für drei Jahre - das höchste Bauwerk der Welt.

Im Zweiten Weltkrieg wurde genau dieser Turm zur Zielmarke für alliierte Luftangriffe auf Hamburg. Am 25. Juli 1943, im Rahmen der „Operation Gomorrha“, zerstörten britische und amerikanische Fliegerbomben die Kirche weitgehend. Nach Kriegsende entschied der Hamburger Senat, das Gotteshaus nicht wieder aufzubauen - nur der Turm und der Chor blieben erhalten, als dauerhaftes Mahnmal. Auf dem Platz des ehemaligen Kirchenraums entstand eine Gedenkstätte, ergänzt durch weitere Denkmale und Kunstwerke in unmittelbarer Umgebung. Eines dieser Werke ist die Skulptur „Tempel“ des renommierten Bildhauers Ulrich Rückriem (*1938), dessen Arbeiten unter dem Titel „Skulpturen für Hamburg“ an mehreren Orten der Stadt zu besichtigen sind.

Der drei Meter hohe Granitblock mit einer Grundfläche von 2 mal 1,5 Metern wurde 1984 geschaffen und in etwa 40 Metern Entfernung exakt in Blickachse zum Kirchturm aufgestellt. Rückriem beschreibt sein Werk so: „Ein Granitblock, horizontal in drei Teile gespalten. Der mittlere Block vertikal umlaufend in fünf Teile geschnitten. Das innere Kernstück geschliffen und poliert, herausgenommen. Alle anderen Teile zu ihrer ursprünglichen Form zusammengefügt, das untere Teilstück in die Erde eingelassen“. Wer genau hinschaut, erkennt den künstlerischen Eingriff - die aneinandergereihten, gleichmäßigen Bohrlöcher, mit denen der massive Granitblock gespalten wurde. Dieser Stein stammt übrigens aus der Normandie, einem weiteren geschichtsträchtigen Schauplatz des Zweiten Weltkriegs.
Eigentlich sollte der polierte Kern als Teil des Gesamtkunstwerkes im Hamburger Rathaus ausgestellt werden und eine Verbindung zum Aufstellungsort schaffen. Allerdings gilt der polierte Kubus vonseiten der Stadt als verschollen!

Mein Tipp: Nehmt den gläsernen Fahrstuhl im Innern des Turmes und fahrt zur 76 Meter hohen Aussichtsplattform. Dort könnt ihr das Kunstwerk von oben oder den wunderbaren Blick über die Stadt genießen.

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Lawrence Weiner - 8. Kunstflâneur 2025